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Pál Dárdai: "Ich kann leider nicht mehr reingrätschen"

Pál Dárdai blickt im Interview mit UEFA.com auf die ersten Jahre seiner Trainerkarriere zurück. Dabei spricht er über schlaflose Nächte und Ärger mit dem eigenen Nachwuchs nach durchwachsenen Leistungen.

Seit 1997 im Verein, seit 2015 Cheftrainer: Pál Dárdai
Seit 1997 im Verein, seit 2015 Cheftrainer: Pál Dárdai ©Getty Images

Hertha BSC hat aus den ersten beiden Gruppenspielen der UEFA Europa League nur einen Zähler geholt. Für die Hauptstädter, die unbedingt europäisch überwintern wollen, ist das zu wenig. Gegen den ukrainischen Vertreter Zorya muss am Donnerstag (19 Uhr) unbedingt der erste Dreier her. 

Pál Dárdai lässt sich äußerlich von diesem Druck noch nicht aus der Ruhe bringen, innerlich sieht es bei dem nachdenklichen Ungar nach einem schlechtem Spiel seiner Mannschaft aber anders aus. Jedes Detail geht Dárdai nach einer Partie im Kopf durch und erlebt vor allem nach Europa-League-Spielen gerne mal eine unruhige Nacht.

Dárdai: Normalerweise gehe ich um 21:30 ins Bett. Diese langen Abendspiele sind eine Ausnahme für mich. Geistig bin ich nach so einem Spiel sehr müde, mein Kopf ist dann richtig schwer. Nach einem Europa-League-Spiel kann ich bis nachts um drei Uhr nicht schlafen.

Da wünscht man sich doch vielleicht in seine aktive Karriere zurück...

©Getty Images

Dárdai: Als Spieler hast du es viel besser. Du musst nur auf Deine eigene Leistung achten. Als Trainer musst Du die ganze Woche vorbereiten. Beim Spiel kannst Du nur ein wenig mithelfen, ich kann ja leider nicht mehr reingrätschen. Ich war als Spieler fleißig und habe viel gearbeitet. Ich glaube, ich bin ein ähnlicher Trainer.

Trotz aller Probleme, welche die Hertha nach einem durchwachsenen Saisonstart mit sich schleppt, könnte sich Dárdai derzeit keinen schöneren Job vorstellen.

Dárdai: Berlin passt für mich einfach. Diese Stadt und dieser Verein haben mir und meiner Familie sehr viel gegeben. Ich genieße das Vertrauen hier und versuche damit gut umzugehen. Seitdem ich Trainer bin, funktionieren einige Sachen.

Der 41-Jährige stand 14 Jahre lang als Spieler für die Hertha auf dem Rasen und übernahm danach die U15 der Alten Dame. Als junger Trainer hat er viel Spaß daran, eine Mannschaft nach seiner Fußball-Philosophie zu entwickeln und jeden Tag dazuzulernen. "Auch von meinen eigenen Fehlern", wie er selbst sagt. Dabei war der Plan eigentlich ein ganz anderer...

Dárdai: Es war vorgesehen, dass ich Nachwuchstrainer werde. Schön langsam, viel lernen. Irgendwann vielleicht Hertha und später dann die [ungarische] Nationalmannschaft. Aber es lief dann fast umgekehrt. Ich war schnell Nationaltrainer und Hertha-Trainer.

Auch in der Zeit der Multijobber ist es schwer vorstellbar, wie man gleichzeitig für eine Bundesliga- und eine Nationalmannschaft verantwortlich sein kann. Dárdai hat aus seiner Zeit als Chefcoach der Ungarn aber viel mitgenommen.

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Dárdai: Ich habe von dem Jahr als Nationaltrainer sehr profitiert. Ich habe auch sehr großes Risiko genommen. Von meiner Familie wollte das keiner, mein Vater hat mit mir geschimpft. Es hat noch kein ungarischer Trainer geschafft, die Medien, Fans und Mannschaft in eine Richtung zu lenken und Euphorie zu entfachen. Wir haben es geschafft und das hat mein Leben verändert.

Mit gravierenden Änderungen im Leben hat Dárdai jetzt schon eine gewisse Erfahrung. Als im Februar 2015 nach der Entlassung von Jos Luhukay ein neuer Trainer gesucht wurde, hätte er "nie gedacht", dass er den Anruf von Manager Michael Preetz bekommen würde.

Dárdai: Jeder hat gewusst, dass ich einen guten Job bei der U15 mache. Ich hatte ein glückliches Leben und hatte einen schönen Platz im Olympiastadion, um die Bundesliga-Spiele anzuschauen. Nach dem Spiel gegen Leverkusen kam der Anruf, dass ich ganz spät am Abend noch ins Büro kommen soll. Dort haben wir sehr lange diskutiert und am nächsten Morgen hatten wir die Entscheidung. Ich bin dankbar für diese Aufgabe. Aber so dankbar, dass ich versuche, mit diesem Vertrauen nicht zu spielen.

Seitdem macht Dárdai mit der ersten Mannschaft einen tollen Job: Die Handschrift des Ungarn ist klar zu erkennen und auch wenn es momentan einige Rückschläge gibt, ist Dárdai für die nächsten Jahre guten Mutes. Seine Zeit in der Jugendabteilung hat ihn für die Nachwuchsarbeit sensibilisiert und hier verspricht er sich in der Hauptstadt eine rosige Zukunft.

Dárdai: Berlin ist eine große Stadt und Hertha ist ein kleiner Verein. Aber wir sind auf dem Weg, ein großer Verein zu sein. Auch wenn ich sehe, wie der Nachwuchs entwickelt wird. Das ist weltweit eine besondere Sache, da kann man eine Basis für die spätere Arbeit legen.

Die Gegenwart umfasst das internationale Geschäft und auch da hat sich der Hertha-Trainer schon einen Plan zurecht gelegt.

©AFP/Getty Images

Dárdai: Es ist unser Ziel, dass wir gut genug spielen, um die Gruppenphase zu überleben. Danach bekommen wir hoffentlich einen Gegner, der ganz Berlin bewegt. Wir wollen ein volles Stadion, gute Gegner und Erfahrungen sammeln.

Dabei sollten aber auch einige Punkte herausspringen. Ansonsten gibt es zuhause Stress am Küchentisch.

Dárdai: Ich habe drei Söhne und muss Leistung bringen. Die spielen alle drei Fußball. Wenn ich verliere, dann komme ich nach Hause und schon gehen die Sprüche los. Das ist eine Atmosphäre wie in der Kabine. Deswegen lieber gewinnen, dann haben die Kinder auch keine große Klappe.